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Interviews

Julian Temple
Gesprächspartner: Ingmar Böke
Sprache:
Vom: 03.02.2010

Über

Spieler des neuseeländischen FMV-Formats Casebook kennen Julian Temple als Darsteller der Hauptfigur James Burton. Neben seiner schauspielerischen Tätigkeit für den Indie-Entwickler Areo ist der gebürtige US-Amerikaner Sänger, Songwriter und Gitarrist der Julian Temple Band.



Adventure-Treff.de: Hallo Julian und vielen Dank, dass du dir etwas Zeit für uns nimmst. Ein Großteil unserer Leser dürfte dich eher unter dem Namen James Burton kennen. Bitte gib uns also einen Einblick in den Menschen hinter dieser Person, deinen Hintergrund und deine anderen Aktivitäten abseits von Casebook.

Julian Temple: Hallo zusammen! Mein Name ist Julian Temple, ich bin 28 Jahre alt, wurde in San Francisco geboren und bin Vater eines vierjährigen Sohnes und einer zweijährigen Tochter. Auch wenn ich nicht verheiratet bin, lebe ich in einer Beziehung mit der Mutter meiner Kinder. Ich bin ein begeisterter Surfer und tatsächlich bin ich auch genau aus diesem Grund nach Neuseeland gezogen. In erster Linie bin ich allerdings Sänger und Songwriter der in Dunedin in Neuseeland beheimateten Julian Temple Band. Seit sechs Jahren habe ich Songs für die Gruppe geschrieben und aufgenommen, getourt und für diese Band gelebt und geatmet.

A-T: Du hast am Casebook-Casting teilgenommen, obwohl du zu diesem Zeitpunkt über keinerlei Erfahrung als Schauspieler verfügt hast. Wie hast du eigentlich von dem Casting erfahren und was war deine Motivation, dort hinzugehen?

Julian: Ich bin Sam und Luke von Areo ein paar Mal in geselliger Runde begegnet und sie erwähnten, dass sie ein Videospiel mit echten Schauspielern auf die Beine stellen wollten. Ich bin immer ein Film-Junkie gewesen und war interessiert daran, selbst Erfahrungen in der Schauspielerei zu sammeln, also habe ich ihnen meine Dienste für eine der Episoden angeboten. Ich habe nie wirklich zuvor geschauspielert, aber ich war der Meinung, dass ich die benötigten Fähigkeiten mitbringen würde, nachdem ich über Jahre meine Lieblingsschauspieler nachgeahmt habe. Einen Tag vor dem Casting kam dann Luke noch mal bei mir auf der Arbeit vorbei, um mich an das Vorsprechen zu erinnern. Also habe ich den Casting-Agenten kontaktiert (der wollte, dass ich für die Hauptrolle vorsprechen sollte!!) und vom ihm das Skript ausgehändigt bekommen. Als ich dann das Profil des Hauptcharakters gelesen habe, konnte ich nur noch sagen… ich bin James Burton! Anschließend bin ich auf der dreistündigen Fahrt zu einem Auftritt meiner Band die Szenen durchgegangen, habe knapp drei Stunden mit der Band gespielt, bin um fünf Uhr morgens ins Bett gekommen und habe mich nach einer sehr kurzen Nacht dann auf den Weg zum Casting gemacht. Glücklicherweise erforderte Burtons Profil ohnehin, dass er müde wirkt.



A-T: Bitte berichte uns etwas über den Ablauf des Castings und was genau du getan hast, um das Areo-Team von dir zu überzeugen.

Julian: Im Grunde habe ich die Worte aus dem Skript so dargestellt, wie ich sie für mich selbst interpretiert habe. Es war also nicht so, als würde ich sie einfach von einem Blatt Papier ablesen. Es hat sich alles um meinen Instinkt gedreht und darum, die Eigenschaften meiner Lieblingsschauspieler zu kanalisieren und in James Burton einfließen zu lassen. Ich denke, dass die Jungs von Areo das als etwas sehr Gutes angesehen haben, denn im Grunde haben wir alle weitestgehend nach unseren Instinkten gehandelt. Schließlich war es für jeden von uns das erste Mal, dass wir an solch einem Projekt beteiligt waren.

A-T: Sam Clarkson hat einmal gesagt, dass der Charakter von Burton nicht sonderlich stark definiert war, bevor nicht feststand, wer die Rolle übernimmt. Bitte erzähle uns, inwiefern du selbst derjenige warst, der diesen Charakter definiert hat und beschreibe James Burton aus deiner Sicht.

Julian: Ich denke, dass ich James Burton in gewisser Hinsicht quasi von Grund auf selbst entwickeln konnte. Als Sam, Luke und Henry meine Interpretation von Burton gesehen haben, glaubten sie an diese Version und haben sich nicht an die Dinge geklammert, die vorher in ihrem Kopf existiert haben. Sie haben meine individuellen Stärken als Ansatzpunkt genommen: Henry hat auf diese Stärken hin geschrieben, Sam hat auf diese Stärken hin Regie geführt und Luke… nun, Luke ist einfach ein Genie! Offensichtlich hat auch mein amerikanischer Akzent die Figur beeinflusst und die Tatsache, dass mein eines Bein kürzer ist als das andere, hat noch mal eine zusätzliche Eigenart zum Gesamtbild hinzugefügt. Ich sehe Burton als einen eher ruhigen und gesammelten Typen, quasi eine Art Cowboy ohne Namen mit einer mysteriösen Note, die ihn umgibt. Er ist jemand von sehr intensiver Natur, der schnell ein Gespür dafür entwickelt, wenn etwas faul ist. Davon abgesehen trägt er auch ein bisschen das Motiv des einsamen Wolfs in sich und stellt sich etwas unbeholfen an, wenn es um Beziehungen geht. Gleichzeitig ist er eine Figur mit Herz, die vielleicht auch eine nicht ganz einfache Vergangenheit hinter sich hat. Auf den Punkt gebracht ist er einfach ein verdammt cooler Kerl!

A-T: In der ersten Episode scheint es noch so, als wäre Burton einfach ein cooler und abgebrühter Cop, der alles unter Kontrolle hat. In der zweiten und speziell in der dritten Episode ändert sich dieses Bild allerdings deutlich. Würdest du sagen, dass diese permanente Veränderung des Charakters deine größte Herausforderung als Schauspieler in Casebook ist und gleichzeitig auch der befriedigendste Aspekt aus kreativer Hinsicht?

Julian: Ich glaube, dass es schwieriger gewesen wäre, wenn Burton immer derselbe geblieben wäre. Wir mussten den Charakter irgendwo hinführen, deswegen empfinde ich diese Transformation nicht als Herausforderung. Im Grunde lese ich das Skript, höre mir an, was Sam zu sagen hat und dann gehe ich mit meinem eigenen Gefühl an die Sache heran. Die Veränderung vom kontrollierten, scheinbar nach Vorschrift lebenden Polizisten zum problembehafteten, von persönlichen Motiven getriebenen Charakter hat allerdings wirklich einen enormen Spaß mit sich gebracht. Irgendwie glaube ich, Burton wird mir ähnlicher und ähnlicher! Ich trage zum Beispiel niemals einen Anzug, so dass der Wechsel zu einer abgerissenen Lederjacke mir ein sehr komfortables Gefühl gegeben hat - sowohl wörtlich als auch auf metaphorischer Ebene.



A-T: Irgendwelche Ideen, in welche Richtung du Burton gerne weiterentwickeln würdest, wenn ihr neue Episoden dreht?

Julian: Es macht wirklich Spaß, Burton in den Abgrund zu führen und ich hoffe, dass wir diesen Weg weiterverfolgen und dabei die Geduld und das Vertrauen des Spielers etwas auf die Probe stellen können, indem wir Burton bis zum absoluten Tiefpunkt führen. Später hoffe ich dann, dass wir ihn aus dem Abgrund zurückholen und er noch mal richtig aufdrehen kann.

A-T: Sam Clarkson ist jemand mit sehr viel Erfahrung, nach all seinen Kurzfilmen, der Arbeit für Animal Planet, den Discovery Channel etc. Wie wichtig ist er als führendes Element für deine Arbeit vor der Kamera?

Julian: Sam ist einfach großartig! Wie gesagt ist es so, dass er seine Regie auf meine Stärken auslegen kann und er dieses rohe, instinktive Element vor der Kamera liebt. In den meisten Fällen vertraut er auf meine Intuition und lässt mich ihr folgen. Wenn er dann doch einmal Sorgen wegen einer Szene hat, nehmen wir normalerweise zwei verschiedene Fassungen auf. Die eine folgt meinem Gefühl, die andere der von der Regie gelenkten Auffassung. Sam ist einfach sehr relaxt und fängt nicht an, völlig gestresst zu reagieren, wenn mal etwas nicht so funktioniert, wie es eigentlich sollte. Außerdem ist er sehr flexibel und hat kein Problem damit, auch in der allerletzten Minute noch etwas zu ändern, um das Beste aus einer Szene herauszuholen. Ich glaube wirklich nicht, dass ich mit einem Regisseur mehr Glück hätte haben können als mit Sam!

A-T: Gab es bei dir eigentlich irgendeine Art von Beziehung zu Computerspielen, bevor du mit Casebook konfrontiert wurdest? Falls ja, erzähl uns bitte etwas über diese Berührungspunkte und in Verbindung zu diesem Thema kommt einem natürlich auch die offensichtliche Frage in den Sinn, ob du die Casebook-Episoden selbst gespielt hast.

Julian: Ich bin nie wirklich ein großer Spieler gewesen. Ich bin wohl eher jemand, der viel draußen unterwegs ist, allerdings gab es als Kind ein paar Berührungen mit Myst und Street Fighter II. Den Großteil der ersten Casebook-Episode habe ich gespielt und ich habe auch ein paar Anläufe mit der zweiten und dritten Episode unternommen, aber mit Kindern, der Musik, einem Job und anderen Dingen habe ich leider nicht die Zeit gefunden, eine der Episoden zu beenden, was zugegebenermaßen schade ist.

A-T: Du steckst sehr viel Zeit in deine Musik und investierst eine Menge an Leidenschaft, Herz und Seele in sie. Siehst du die Schauspielerei in Casebook eher als ein zeitlich begrenztes Nebenprojekt oder ist eine Karriere als Schauspieler etwas, was du gerne weiterverfolgen würdest?

Julian: Während der Dreharbeiten ist Casebook ein Vollzeitjob. Ich muss alle anderen Aktivitäten in meinem Leben zurückstellen, so dass es definitiv kein Nebenprojekt ist. Tatsächlich war diese Erfahrung ein großer Augenöffner für mich und mir ist klar geworden, dass ich mich als Schauspieler noch selbstbewusster und behaglicher fühle als in der Musik. Ich würde es lieben, eine Karriere als Schauspieler voranzutreiben und hoffentlich in sehr naher Zukunft in Filmen mitzuspielen.



A-T: Welche Schauspieler siehst du als direkten Einfluss auf dich? Was sind davon abgesehen generell deine Lieblingsschauspieler/innen und Lieblingsfilme?

Julian: Clint Eastwood ist sicherlich jemand, der einem im Bezug auf James Burton in den Sinn kommt. Ansonsten mag ich Leute wie Bill Murray, Samuel L. Jackson, Steve Mc Queen, Humphrey Bogart, Patricia Arquette oder Denzel Washington. Darüber hinaus gefallen mir sämtliche Filme von Quentin Tarantino, Ridley und Tony Scott, Sergio Leone und generell die ganzen Spaghetti-Western. True Romance ist ebenso einer meiner Favoriten wie Repo Man, Blade Runner, die Bourne-Filme, Und täglich grüßt das Murmeltier oder die Werke von Jim Jarmusch. Mann, da gibt es echt eine Menge!

A-T: Bevor wir zum Ende kommen, würde ich dir gerne noch etwas Raum für schamlose Eigenwerbung im Bezug auf die Julian Temple Band geben. Wo können unsere Leser mehr über die Band erfahren und eure Alben kaufen?

Julian: Danke, Ingmar! Als erste Anlaufstelle bietet sich natürlich unsere offizielle Homepage an. Außerdem sind wir bei iTunes, Facebook (ihr könnt jederzeit gerne als Fan beitreten!), Myspace, Twitter… die ganze Palette. Unser zweites Album Quiet Earth wurde vor kurzem veröffentlicht, das dritte Album wurde bereits aufgenommen und abgemischt und wird dann 2010 erscheinen. Wir würden uns freuen, wenn ihr uns antestet und uns weiterempfiehlt, wenn euch die Julian Temple Band gefällt. Und was die Musik selbst angeht… es ist uns egal, was ihr damit macht… ihr könnt sie brennen, illegal aus dem Netz runterladen, wenn es sein muss, solange sie in eurem CD-Player landet!

A-T: Vielen Dank für deine sofortige Zusage für dieses Interview! Wir würden uns freuen, in Zukunft mehr von Detective Burton zu sehen und wünschen dir alles Gute mit all deinen Projekten! Lass es uns wissen, wenn die Julian Temple Band eines Tages mal ihren Weg nach Deutschland findet.

Julian: Irgendwann werden wir definitiv mit der Band nach Europa kommen, vielen Dank!