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Das Mysterium von LucasArts (QuerSchläger)
Vom: 07.03.2004
Es ist etwas faul im Staate Kalifornien. San Rafael, Skywalker-Ranch und Goldguy. Das waren einmal Synonyme für eine Spielefirma namens LucasArts, die Anfang der 90er des vergangenen Jahrhunderts praktisch fast im Alleingang das Adventure-Genre definierte und vorantrieb. Diese Spielefirma hat dem Genre Impulse gegeben, von denen heute noch viele andere Adventure-Spiele profitieren.



Wer nach seinen 3 Lieblings-Adventures gefragt wird, der nennt mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit eines oder zwei oder auch nur Spiele von LucasArts. Tim Schafer und Ron Gilbert, zwei der genialisten Spieleentwickler unserer Zeit, sorgten für hochklassige Spiele und wochenlange Unterhaltung auf nur ganz selten erreichtem Niveau.



LucasArts und Adventure-Spiele, das war für mich wie Yin und Yang, wie die zwei Seiten einer Goldmedaille, das gehörte zusammen wie Europa und Fußball. Bis vergangenen Mittwoch. Mittwoch war ein rabenschwarzer Tag für die Adventuregemeinde. Um es klar auszudrücken: Eine Dynastie ging zu Ende. LucasArts hat mit "Sam & Max - Freelance Police" nicht nur bereits ihr zweites Adventure in kürzester Zeit abgebrochen, sondern in ihrer Pressemitteilung dazu in einem einzigen Satz das Adventuregenre abgeschrieben und somit mehr als 10 Jahre der eigenen Geschichte verraten und verkauft.



Was viele für einen extrem verfrühten Aprilscherz hielten, oder wenigstens für einen geschickten Serverhack, stellte sich als bittere Wahrheit heraus. Aufgrund der zur Zeit gegebenen Marktsituation sei es finanziell nicht möglich, ein Grafikadventure für den PC zu veröffentlichen ("After careful evaluation of current market place realities and underlying economic considerations, we've decided that this was not the appropriate time to launch a graphic adventure on the PC").



Man muss es einfach sagen: Bei solch kompletter Ignoranz bleibt einem einfach der Mund offen stehen. Brach die Firma Vollgas 2 vor fast einem Jahr mit dem Hinweis ab, das Spiel genüge nicht den Qualitätsstandards der Entwickler, konnte man dies noch irgendwie verstehen, denn das Spiel sah einfach nicht stimmig aus und die Fangemeinden waren skeptisch. Aber bei "Sam & Max - Freelance Police" überschlugen sich Fans und Presse gleichermaßen vor Vorfreude, dass Spiel wurde sogar von der PC Gamer zu einem der am meisten erwarteten Spiele für 2004 ernannt, auf AdventureGamers, der wichtigsten und größten Adventure-Seite im Netz, nahm das Spiel auf der Liste "Hype-o-Meter" monatelang die Spitzenposition ein. Um es kurz zu machen: Das Spiel wäre auf jeden Fall ein Erfolg geworden, die Marken "Sam & Max" und "LucasArts" alleine hätte dazu gereicht. Aber nein, das Spiel sah auch noch wirklich gut aus!



Auch der Hinweis auf die Marktsituation scheint im Angesicht des derzeitigen Zustands des Genres einfach nur lächerlich: Syberia II, The Westerner, The Moment of Silence, Runaway 2, Dreamfall, um nur einige hochkarätige Vertreter zu nennen, strafen diese Aussage Lügen.



Wie kann dieses Vorgehen von LucasArts also erklärt werden? Es mag polemisch, ja populistisch von mir sein, aber es scheint nur eine Erklärung dafür zu geben: LucasArts wird dilletantisch geführt, die Verantwortlichen in den Chefetagen haben jeglichen Kontakt zur Spieleindustrie und vor allem zu den Fans verloren und orientieren sich nur noch an ihren vermeintlich genauen Statistiken und Zahlenspielen. Der 100. Star Wars Titel lässt sich demnach einfacher vermarkten und bringt ganz sicherlich Geld ein, dafür muss LucasArts das Spiel noch nicht mal selber herstellen. Und da nächstes Jahr der letzte Star Wars Film in die Kinos kommt, können wir uns schon auf was gefasst machen auf der diesjährigen E3...



Aber selbst diese Erklärung greift zu kurz, immerhin durften ja Spiele wie "Wrath Unleashed" oder "RTX Red Rock" unter der Marke LucasArts erscheinen. Spiele, für die sich weder Fans noch Fachpresse sonderlich erwärmen konnten. Was ist also los mit unserer früher mal vergötterten Lieblingsfirma?? Sicherlich hängt auch einiges vom Abgang von Präsident Simon Jeffrey ab, der noch mehr auf eigenständige, originelle Spiele setzte anstatt auf "Star Wars - Jedi Knight: Jedi Outcast: The Return of Kyle Katarn 21". Seither ist die Firma mehr oder weniger führungslos und das führt dazu, dass ein "Acting General Manager and VP of Finance and Operations" das vielversprechendste Spiel, das LucasArts dieses Jahr in Vorbereitung hatte, mit einem Dreizeiler einfach abkanzeln konnte...



Was müssen wir als Adventure-Fans daraus für Konsequenzen ziehen? Ich kann nur für mich persönlich sprechen, jeder muss selbst seinen Weg finden, mit dieser Tragödie fertig zu werden. Für mich persönlich ist LucasArts am Mittwoch gestorben. Zu tief sitzt der Schmerz über diesen Verlust und die fast schon unverschämte Pressemitteilung versetzte mir noch mal einen Stich. Das LucasArts, das ich gekannt und geliebt habe, gibt es nicht mehr. Mit Donald Rumsfeld könnte man sagen: Es gibt ein altes LucasArts, und es gibt ein neues LucasArts. Das neue interessiert mich nicht mehr. Altes LucasArts, am Mittwoch bist du gestorben. Ruhe in Frieden!